Beinahe ein Jahr ist es nun her, dass ich die letzten Artikel dieser Serie veröffentlicht habe und das Echo in den Kommentaren war seither gewaltig. Die allermeisten Fragen drehten sich dabei um den Themenkomplex: Module unterschiedlich ausrichten, vier anstatt nur zwei Module, welcher Wechselrichter für Ost-West-Ausrichtung und wie werden die Module verschaltet. Hintergrund war dabei immer die Bestrebung, mehr aus einem bestehenden Balkonkraftwerk herausholen zu wollen, ohne die gesetzlichen Grenzen zu überschreiten.
Anlass genug, dass ich mich dem Thema Ost-West-Ausrichtung nun im Detail und ausführlich widme, wobei „Ost-West“ hier nur als Synonym steht für alles, was unterschiedliche Modulausrichtungen betrifft.
Ost-West – ein ziemlich umfangreiches Thema
Wenn es um unterschiedliche Modulausrichtung geht, gibt es viele Aspekte, die betrachtet werden sollten. Das passt nicht alles in einen einzelnen Artikel, so dass ich einige Betrachtungen in eigene Unterartikel ausgliedere. Die kann der geneigte Leser sich bei Bedarf im Detail ansehen, oder sich hier auf die jeweilige Zusammenfassung beschränken. Zum Thema Ost-West-Ausrichtung gibt es folgende Artikel:
- Balkonkraftwerk Teil 15: Ost-West-Ausrichtung – das ist dieser Artikel, in dem die Rahmenbedingungen für unterschiedliche Modulausrichtungen gesteckt und die Ergebnisse der folgenden Artikel zusammengefasst werden.
- Balkonkraftwerk Teil 16: Ost-West parallel oder in Reihe – hier geht es um die technischen Aspekte der Modulverschaltung bei unterschiedlicher Ausrichtung.
- Balkonkraftwerk Teil 17: Ost-West, rechnet sich das? Jetzt wird gerechnet und die Solarenergieerzeugung verschiedenen Verbrauchsprofilen gegenübergestellt.
- Balkonkraftwerk Teil 18: Ost-West die ultimative Anleitung. Alles was der Anwender wissen muss, wenn er in seiner Steckersolaranlage die Module unterschiedlich ausrichten will.
Motivation
Warum sollte man überhaupt Solarmodule anders als nach Süden ausrichten?
Das ist die zentrale Frage, die ich voraus schicken möchte, um das Thema abzustecken. Danach wissen wir, worüber wir reden und worüber nicht und haben einen ersten Eindruck, wofür sich eine Ost-West-Ausrichtung lohnen könnte. (Ich sage noch nicht, dass sie es wirklich tut).
Werfen wir zuerst einmal einen Blick auf Photovoltaik Freiflächenanlagen. Was sehen wir da? Strenge Südausrichtung und keine unterschiedliche Ausrichtung der Module. Im Freifeld könnte man ja auch die Hälfte der Module nach Osten und die andere Hälfte nach Westen ausrichten. Das wäre baulich kaum aufwendiger, aber trotzdem wird es nicht gemacht. Und der Grund ist einfach.
In der nördlichen Hemisphäre ist strikte Südausrichtung immer die ertragreichste Variante.
Das ist schlichte Geometrie, die Sonne wandert zwar im Lauf des Tages von Osten nach Westen, aber ein Modul, das ich nach Süden ausrichte, bekommt immer mehr Sonnenlicht ab, als bei jeder anderen Ausrichtung.
Und dann kommen die Balkonkraftwerker und wollen Ost-West machen? Warum das, wenn die Südausrichtung den meisten Energieertrag liefert? Weil Ertrag eben nicht alles ist. Und damit kommen wir zu den Besonderheiten, die das Balkonkraftwerk von der Freiflächen- und auch von der Dach-PV unterscheidet. Und das sind keine technischen Unterschiede, sondern regulatorische:
- Für die Freifläche und das Dach gilt: Mehr Ertrag = mehr Geld. Beim BKW gilt das nicht, denn es gibt (in der Regel) keine Einspeisevergütung.
- Beim Balkonkraftwerk ist bei 800W Wechselrichterleistung Schluss, selbst wenn die Solarmodule mehr liefern könnten.
Das hat für den Balkonkraftwerker, der möglichst viel Nutzen aus seiner Anlage ziehen will, entsprechende Konsequenzen:
- Nur der Eigenverbrauch zählt, Überschussstrom wird nicht vergütet.
- Eine Anlagenerweiterung geht nur über die Module (es sind ja bis zu 2000Wp zulässig).
- Mehr Module bringen aber nur etwas, so lange wir uns unterhalb der 800W Wechselrichtergrenze bewegen, also
- im Winter
- morgens und abends.
Wer also beim Balkonkraftwerk mehr möchte als nur einen Wechselrichter mit zwei Modulen, der hat lediglich eine Chance mit solarem Overpaneling, also mit drei oder vier anstelle der üblichen zwei Module. Und die Entscheidung dazu fällt leicht bei Modulpreisen von mittlerweile nur noch um die 60 Euro. Es geht also um die Verbreiterung der täglichen Ertragskurve. Die Zeit, in der die Maximalleistung von 800W erreicht wird, soll Richtung Morgen und Abend erweitert werden. Gleichzeitig soll zu Mittag nicht noch mehr Solarleistung ins Netz verschenkt werden. Beides erreicht man, in dem die Module aus der Südlage heraus in Richtung Osten und Westen verschoben werden. Der dadurch einhergehende Minderertrag wird durch zusätzliche Solarpanele (über-)kompensiert.
Dazu kommt ein weiterer Aspekt: Der typische deutsche Arbeitnehmer und die typische deutsche Arbeitnehmerin gehen tagsüber (wenn nicht gerade Homeoffice angesagt ist) zur Arbeit. Der Energiebedarf ist im Haushalt zu Mittag also eher gering und morgens und abends erhöht. Eine Ost-West-Ausrichtung kommt also auch dem Verbrauchsverhalten entgegen.
Eine erste Zwischenerkenntnis ist also, dass Ost-West-Ausrichtung an sich nur etwas für die Welt der Balkonkraftwerke ist. Lassen wir einmal Dach-PV außer Acht, bei der das Hausdach nach Osten und Westen ausgerichtet ist, der Betreiber also gar keine andere Wahl hat. Wer auf Einspeisevergütung setzt oder Batterien laden will, der setzt auf reine Südausrichtung. Folglich sprechen wir in diesem und den untergeordneten Artikeln zum Thema Ost-West-Ausrichtung ausschließlich über Balkonkraftwerke (oder wie es im Gesetz heißt: Steckersolargeräte).
Ost-West – parallel oder in Reihe?
Jetzt wird es technisch, denn wir müssen klären, wie man vier Module an zwei Wechselrichtereingänge anschließt. Klar, es gibt auch Wechselrichter mit vier Eingängen, allerdings nicht in der 800W Klasse. Die gedrosselten 1600er werden wir uns später anschauen.
Prinzipiell kann man Solarmodule parallel zusammenschalten oder in Reihe, dazu hatte ich früher bereits einen eigenen Artikel geschrieben, der zu dem Schluss kommt, das man dafür am besten baugleiche Module verwendet. In diesem Artikel wird allerdings nicht betrachtet, dass die Module unterschiedlich ausgerichtet werden.
Die Details zur Fragestellung Reihen- und Parallelschaltung bei Ost-West-Ausrichtung habe ich in einen separaten Artikel ausgelagert, die Erkenntnisse daraus sind folgende:
- Bei unterschiedlicher Modulausrichtung kommt eine Reihenschaltung nicht in Frage.
- Für Ost-West-Ausrichtung werden Module per Y-Kabel parallel geschaltet.
- Die Leistungen der beiden parallel geschalteten Module addieren sich annähernd.
Damit ist also klar, dass es technisch gut möglich ist, zwei Module per Y-Kabel parallel an einen Wechselrichtereingang zu schalten und diese beiden Module unterschiedlich auszurichten.
Ost-West – rechnet sich das?
Jetzt wird es spannend, denn nun wird untersucht, ob eine Ost-West-Ausrichtung einen Vorteil bietet gegenüber einer strikten Ausrichtung aller Module nach Süden. Die Analyse wird umfangreich und aufwendig, denn es muss jetzt die Stromerzeugung per Balkonkraftwerk mit dem gleichzeitigen Stromverbrauch verglichen werden und das bei unterschiedlichen Modulausrichtungen, Modulneigungen und verschiedenen Verbrauchsprofilen.
Dabei kommt den Verbrauchsprofilen eine zentrale Rolle zu. Wenn wir nur die Solarenergieerzeugung betrachten wollten, dann wäre dieser Artikel hier bereits zu Ende, denn eine andere Ausrichtung als die nach Süden, schneidet (auf der Nordhalbkugel) immer schlechter ab. Erst wenn der Verbrauch in die Betrachtung mit einbezogen und die Eigennutzung der erzeugten Energie berechnet wird, könnte sich ergeben, dass andere Ausrichtungen doch Vorteile haben. Eben weil sie die Erzeugungskurve über den Tag und über das Jahr hinweg besser zur Deckung bringen mit der Kurve des individuellen Verbrauchs.
Die genauen Betrachtungen und Berechnungen dazu erfolgen wieder in einem eigenen ausgelagerten Artikel, damit es hier nicht so voll wird. Wer sich die Details sparen will, für den fasse ich kurz die Ergebnisse zusammen:
Eine Modulausrichtung nach Ost und West lohnt sich in der Regel im Vergleich zur Südausrichtung nicht. In Berechnungen für 74 unterschiedliche Verbrauchsprofile haben nur zwei Profile bei der Ost-West-Ausrichtung besser abgeschnitten als bei einer Südausrichtung und das auch nur geringfügig. Die 72 anderen Verbrauchsprofile weisen durch die Bank Verluste auf, die teilweise mehrere Prozent betragen.
Der Minderertrag, der unweigerlich entsteht, wenn Module nicht optimal nach Süden ausgerichtet werden, kann nur selten dadurch kompensiert werden, dass die Energieerzeugung tageszeitlich besser zum Energieverbrauch passen würde.
Eine Ost-West-Ausrichtung kann also nicht empfohlen werden, in Betracht kann man aber andere Ausrichtungen ziehen, die besser abschneiden, als Ost-West.
Ost-West-Ausrichtung – die ultimative Anleitung
Wenn es denn nun doch eine Ost-West-Ausrichtung sein soll, oder eine alternative Ausrichtung wie etwa Südwest-Südost, dann ergeben sich immer noch viele Fragen, die einer Klärung bedürfen. Die nach der richtigen Modulneigung zum Beispiel, oder welchen Wechselrichter man verwenden sollte. All diese Fragen will die Anleitung aufgreifen, die wieder als eigener Artikel verfasst ist.
Abschließendes Fazit
Die Ost-West-Ausrichtung von Solarmodulen ist möglich, aber nur unter Verlusten im Vergleich zur reinen Südausrichtung. Die Verluste sind aber gering, sie bewegen sich im einstelligen Prozentbereich, so dass eine Ost-West-Ausrichtung keineswegs als No-Go betrachtet werden muss.
Auch die senkrechte Wandmontage von Solarmodulen beispielsweise führt zu einem Minderertrag im Vergleich zu einer optimalen vertikalen Ausrichtung. Trotzdem wird es gemacht, weil es nicht anders geht, aus optischen Gründen, oder weil man den Aufwand für bessere Neigung vermeiden möchte. Und das gleiche gilt für die Ost-West-Ausrichtung. Wenn es nicht anders geht, weil die Dächer nun mal nach Osten und Westen ausgerichtet sind, oder auf dem Flachdach oder im Garten nicht anders Platz ist, dann kann man selbstverständlich eine Ost-West-Ausrichtung machen.
Betrachten wir rein den Minderertrag auf Modulebene zwischen West und Südausrichtung, dann sind das beachtliche 15%. Rechnen wir aber mit vier Modulen und einem 800W Wechselrichter (der gerade bei der Südausrichtung alles über 800W nicht nutzen kann), dann sind wir nur noch bei einem Minderertrag von ca. 7%. Wenn dann noch der Verbrauch ins Spiel kommt und wir die Eigennutzung vergleichen, dann liegt die Ost-West-Ausrichtung zwischen einem Plus von einem halben Prozent im besten und einem Minus von ca. 7% im ungünstigsten Fall. Und das ist weit weniger Verlust als bei Südmodulen senkrecht an der Wand.
Trotzdem sei Balkonkraftwerkern geraten – wenn es denn möglich ist – alternativ eine Südost-Südwest-Ausrichtung in Betracht zu ziehen.
Passend zum Thema empfehle ich auch die einschlägigen Betrachtungen von David von Oheimb.
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